Lindens kleiner Hindukusch

by Sonja Fröhlich in HAZ

Allzu leicht könnte man das Balkh mit dem x-ten Dönerladen auf der Limmerstraße verwechseln. Von außen wirkt das Lokal mit seiner beschmierten Fassade und der auffälligen Werbung („leckere Kebab-Spezialitäten und mehr!“) jedenfalls so.

Und in den Räumen zwischen Pizzabude und asiatischer Straßenküche gab es schließlich schon früher einen türkischen Einheit Imbiss. Diesmal empfängt uns hinter der Eingangstür aber tatsächlich ein richtiges Restaurant. Ein Imbisstresen für den Straßenverkauf ist hier im hinteren Teil versteckt, was allerdings kaum Laufkundschaft anlockt. Gut für uns, so ist es schön ruhig im kleinen Afghanistan.

Das Lokal ist zwar eher schlicht und zweckmäßig eingerichtet, deutet aber mit einigen Teppichen, Ornamenten und Schriften auf die afghanische und iranische Küche hin, die es hier gibt. Ein Fernseher zeigt die schönen Seiten des Lebens am Hindukusch, grandiose Landschaften, herzliche Menschen, weit weg scheinen die Taliban, die Anschläge, die Kriege. Lieber nicht darüber nachdenken, nicht jetzt, da wir Afghanistan genießen wollen.

Die sehr gut lesbare und übersichtliche Karte wirkt schon einmal vielversprechend: Snacks, Salate, Suppen, Kebabs, Reisgerichte und arabische Spezialitäten sind leicht verständlich beschrieben und im Foto abgebildet, sodass kaum eine Frage offen bleibt. Bei den Hauptspeisen - traditionell vielfach mit Lammfleisch, Rind oder Huhn - kann man wählen, welche Sorte Reis und ob man Joghurt und Spinat oder Auberginen haben will.

Während wir noch überlegen, bringt ein freundlicher Kellner als Gruß aus der Küche ein hausgemachtes Chutney und dünnes Fladenbrot. Die Soße ist eine Wucht, mit viel Koriander, Petersilie und herrlich scharfem Knoblauch. Wie die Afghanen selbst trinken wir dazu grünen Tee, verfeinert wahlweise mit Kardamom oder Safran. Unsere Vorspeisen folgen, ein eher schlichter Salat nach griechischer Art, und knusprige Tarkari-Röllchen mit Gemüsefüllung und einer wieder herrlich intensiven Soße.

Als Hauptspeisen haben wir uns zwei Spezialitäten ausgesucht: Das Qabuli besteht aus gekochtem Lammfleisch mit braunem Reis, der auch Karotten und Rosinen beinhaltet, hinter Qorme Sabzi stecken Rindfleischstücke mit Spinat, Bohnen und Kräutern. Beides sind exotische Geschmackserlebnisse. Beim Spinat etwa gehen Zitrone und scharfe Gewürze eine wunderbare Liaison ein. Hier merkt man all die Einflüsse der indischen, pakistanischen und mongolischen Küche, die die einstige Durchgang Region zwischen Europa und Asien kulinarisch bereichert haben. Beim nächsten Besuch wundern wir uns darüber, dass nur wenige Tische besetzt sind. Vielleicht liegt das auch daran, dass es im Balkh nach islamischer Sitte keinen Alkohol zu bestellen gibt - das ist in einer Gegend wie der Limmerstraße durchaus eine Herausforderung.

Andererseits kann man sich abgesehen von den Tees getrost mal auf die afghanische Limonade Lemon Sharbat oder den mit viel afghanischer Minze verfeinerten Ayran einlassen, ohne Alkohol zu vermissen. Und wer wie wir eine Linsensuppe bestellt, hat sowieso erst einmal viel damit zu tun, all die Zutaten dieser überraschend süß-sauren Speise zu erschmecken. Petersilie, Chili, Koriander, Karotten und vieles mehr. Davon hätte es einen Nachschlag geben können.

Doch wir müssen noch mehr testen. Und nun gibt es mit dem Hauptgericht aus Okraschoten tatsächlich einen Wermutstropfen. Die Schoten aus der Familie der Malven sind ein heikles Gemüse, das nach dem Kochen schnell schleimig wird. Leider sind unsere Exemplare zudem noch labbrig und schwimmen geradezu in Öl. Nur mit viel von dem dazu gereichten Safran-Basmatireis mögen wir sie überhaupt essen. Die Kebabspieße mit Rinderhack, Lamm und Hähnchen, die mein Mittester bekommt, sehen hingegen nicht nur toll aus, sie schmecken auch so. Dabei hat der spezielle Grill, den Inhaber Mahbubi Said Ali Akbar laut Karte aus dem Iran importiert hat und der die Hitze von oben abgibt, seine Wirkung nicht verfehlt. Gemeinsam schaffen wir die große Portion mit den zarten, pikant marinierten Fleischstücken. Und sind satt, aber neugierig und bestellen zum Abschluss einen afghanischen roten Wackelpudding. Der dann leider aus ist. Inschallah, war wohl Gottes Wille. Die intensiven Aromen der Hauptspeisen brennen auf der Zunge noch lange nach.

Von Sonja Fröhlich

HAZ